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Schlussbericht zum Forschungsprojekt ,,Betongefüllte Hohlprofilverbundstützen für Geschossbauten – Innovation und Bemessung (CFSHSC)"

Förderhinweis und Danksagung

Die Untersuchungen wurden im Rahmen des Forschungsvorhabens „Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen für Geschossbauten – Innovation und Bemessung “ an der Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Stahl-, Leicht- und Verbundbau durchgeführt. Das Forschungsprojekt „Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen – Innovation und Bemessung“, (IGF/AiF-Nr.: 19677N) wurde mit finanzieller Förderung durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF), im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert. Die Forschungsvereinigung Stahlanwendung, FOSTA eV, hat die Arbeiten fundiert begleitet. Den Förderern sei an dieser Stelle für die Unterstützung recht herzlich gedankt.

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Ansprechpartner

Przemyslaw Schurgacz

Projektpartner

Industriepartner
  • Vallourec 
  • stahl + verbundbau GmbH
  • Tuchschmid AG
  • Brandschutz Planung Klingsch
  • TATA STEEL
  • mensinger stadler
  • Gruner GmbH
  • HRA
  • Peikko GmbH
  • Urech Bärtschi Maurer Consulting
  • Salzgitter Mannesmann Forschung
  • IGB Ingenieurgruppe Bauen PartG mbB
Förderung

AiF / BMWi

Projektlaufzeit

01.09.2017 bis 28.02.2021

Schlussbericht zum Forschungsvorhaben

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen – Innovation und Bemessung“, (IGF/AiF-Nr.: 19677N) wurden in einem Schlussbericht zusammengestellt und erscheinen in Kürze auf der Homepage der Forschungsvereinigung Stahlanwendung FOSTA eV. Der Schlussbericht ist das Ergebnis von vier Jahren engagierter Arbeit.  Die im Rahmen des Projektes erarbeiteten Versuchsdaten zur Validierung analytischer und numerischer Modelle wurden zur Verfügung gestellt. Die Bemessung der innovativen Verbundstützen mit vereinfachten Nachweisverfahrens sowie zur Einführung der Regeln in die europäische Normendiskussion wurde eingebracht.


Projektvorstellung – Wissenschaftsmagazin RUBIN

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2021 in Rubin 1/2021 erschienen. Die gesamte Ausgabe können Sie hier als PDF kostenlos downloaden.

https://news.rub.de/wissenschaft/2021-04-28-bauforschung-bis-die-verbundstuetze-bricht


Zusammenfassung

Verbundstützen werden im Hoch- und Industriebau wegen vielfältiger vorteilhafter Eigenschaften eingesetzt. Es werden Stützen mit geringeren Querschnittsabmessungen bei gleichzeitig hohen Tragfähigkeiten realisiert. Gleichzeitig werden hohe Feuerwiderstände ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen erreicht. Möglich macht dies die zielgerichtete Kombination der Werkstoffeigenschaften von Stahl und Beton, insbesondere die hohe Festigkeit und Steifigkeit von Stahl sowie die geringe Wärmeleitfähigkeit von Beton. Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen unter Verwendung von Hochleistungswerkstoffen besitzen das Potential noch höhere Tragwiderstände respektive schlankere Stützenquerschnitte aufzuweisen und somit weitere Märkte erschließen zu können.

Im Rahmen des FOSTA-Forschungsprojektes „Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen für Geschossbauten – Innovation und Bemessung“ (IGF-Vorhaben Nr.: 19677) wurde das Stabilitätsverhalten von Hohlprofilverbundstützen mit experimentellen, numerischen und analytischen Methoden untersucht. Die aktuelle Fassung des Eurocodes 4, Teil 1-1 „Bemessung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton“ beinhaltet Nachweisverfahren für verschiedene Verbundstützentypen. Für betongefüllte Hohlprofilverbundstützen mit massivem Stahlkern und Doppel-Hohlprofil-Verbundstützen liegen gegenwärtig jedoch keine normativ geregelten vereinfachten Nachweisverfahren für Normaltemperaturen und die Brandbemessung vor. Hier setzte das Forschungsvorhaben an.

Die experimentellen Untersuchungen umfassten insgesamt 24 realmaßstäbliche Stützenversuche mit verschiedenen Querschnitten, Abmessungen, Stahlsorten sowie Betonfestigkeiten. Für die experimentelle Analyse der Querschnittskapazität wurden sogenannte Stub-Column Versuche durchgeführt. Darüber hinaus wurden ein- (4m) und zweigeschossige (8m) Stützen mit baupraktischen Querschnittsabmessungen geprüft, um den Einsatz hochfester Werkstoffe (Baustahl S770 und S890 sowie Beton C100/115) für die Praxis zu bewerten.

Auf Grundlage der Traglastversuche bei Normaltemperatur wurde ein numerisches Modell entwickelt, welches experimentelle Werkstoffkennwerte, Verbundwirkung, geometrische Imperfektionen und Eigenspannungen berücksichtigte. Mit Hilfe numerischer Simulationen und Parameterstudien wurde das grundlegende strukturmechanische Verhalten der Verbundstützenquerschnitte beschrieben und untersucht. Zudem wurde ein FE-Modell für Brandsimulationen entwickelt, anhand von Fremdversuchen aus der Literatur validiert und Simulationsstudien zum Brandverhalten unter Einheitstemperaturzeitkurve mit baupraktisch relevanten Ausnutzungsgraden durchgeführt.

Auf Basis der experimentellen und numerischen Ergebnisse konnte ein vereinfachtes analytisches Modell zum Nachweis in Anlehnung an die Bemessung nach Eurocode 4 entwickelt werden. Ergänzend konnten die wissenschaftlichen Grundlagen für ein vereinfachtes Nachweisverfahren für die Bemessung innovativer betongefüllter Hohlprofil-Verbundstützen im Brandfall erarbeitet werden.

„Das Ziel des Forschungsvorhabens wurde erreicht“.


Motivation und Problemstellung

Anforderungen moderner Hoch- und Industriebauten hinsichtlich Tragfähigkeit und Abmessungen stellen Planende, Ausführende und Behörden zunehmend vor Herausforderungen und erfordern innovative und wirtschaftliche Lösungen. Beton­gefüllte Hohlprofil-Verbundstützen stellen eine solche Lösung dar, insbesondere wenn große Lasten abzutragen, kleine Querschnittsabmessungen zu realisieren und hohe Brandschutzanforderungen zu erfüllen sind. Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern (Abbildung 1 rechts) und betongefüllte Doppelhohlprofil-Verbundstützen (Abbildung 1 links) sind Weiterentwicklungen klassischer Verbundstützen und können insbesondere für hochbeanspruchte Stützen im Geschossbau sinnvoll eingesetzt werden.

Beide innovativen Verbundstützentypen erfüllen hohe Brandschutz­anforderungen. Die Betonschicht verzögert die Erwärmung der innenliegenden Komponenten, so dass diese sukzessive die Lasten von den wärmeren äußeren übernehmen. Dadurch können bisweilen Feuerwiderstandsdauern von über 180 min ohne zusätzliche Brand­schutz­maßnahmen erzielt werden. Das Abplatzen des Betons im Brandfall wird durch das äußere Hohlprofil zuverlässig verhindert. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die hohe Fertigungsgeschwindigkeit durch den Entfall von zusätzlichen Schalarbeiten sowie die hohe Fertigungsqualität durch Vorfabrikation. Zudem erfüllen die filigranen Stützen zeitgemäße architektonische Anforderungen im Stahlbau.

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Abbildung 1: Innovative Verbundquerschnitte im Geschossbau

Betongefüllte Hohlprofilstützen mit massivem Stahlkern bestehen aus runden oder rechteckigen Stahlhohlprofilen und einem massiven Stahlrundprofil als Einstellprofil. Der Hohlraum zwischen dem Hohl- und Einstellprofil wird mit Beton gefüllt. Im Vergleich zu herkömmlichen Stahlbetonstützen sowie vergleichbaren Verbundstützen ohne Kernprofile weisen sie bei gleichem Tragwiderstand wesentlich geringere Quer­schnitts­abmessungen auf und ermöglichen somit, die nutzbare Geschossfläche zu maximieren.

Betongefüllten Doppelhohlprofil-Verbundstützen bestehen aus zwei Stahlhohl­profilen. Der Hohlraum zwischen den Hohlprofilen sowie das innere Hohlprofil werden mit Beton gefüllt. Zur Steigerung der Tragfähigkeit und zur Minimierung der Querschnittsabmessungen kann für das innere Einstellprofil ein Hohlprofil aus hochfestem Stahl verwendet und dieses mit Hochleistungsbeton gefüllt werden.

Gegenwärtig sind in der Literatur nur wenige Versuche zum Trag- und Brandverhalten von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern sowie Doppel­hohl­profil-Verbundstützen vorhanden. Ursächlich hierfür sind unter anderem die hohen Tragfähigkeiten dieser Verbundstützentypen und die daraus resultierenden Anforder­ungen an die Kapazität und Abmessung der Versuchseinrichtung. Forschungs­einrichtungen mit geeigneter experimenteller Infrastruktur zur Durch­führung von Stützenversuchen mit realen baupraxisrelevanten Querschnitts­ab­messungen sind rar. 

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 Abbilding 2: Gängige normativ geregelte Verbundstützenquerschnitte nach DIN EN 1994-1-1

Die gegenwärtigen europäischen Regelwerke (DIN EN 1994-1-1) beinhalten zwei Bemessungsverfahren, mit denen die Tragfähigkeit von gängigen Verbundstützenquerschnitten (Abbildung 2), die aus runden bzw. rechteckigen ausbetonierten Hohlprofilen oder aus vollständig und teilweise einbetonierten Stahlprofilen bestehen, bei Normaltemperatur nachge­wiesen werden kann. Planmäßig zentrisch druckbeanspruchte Stützen mit doppelt-symmetrischen Quer­schnitten können nach DIN EN 1994-1-1 mit dem vereinfachten Nachweisverfahren mit Abminderungsfaktoren auf Basis der europäischen Knicklinien bemessen werden. Verbundstützen mit planmäßig kombinierter Druck- und Biegebeanspruchung sind mit Schnittgrößen nach Theorie II Ordnung nachzuweisen. Beim allgemeinen Nachweisverfahren sind geometrische und strukturelle Imperfektionen, lokales Beulen, Rissbildungen, Abplatzungen sowie Schwind- und Kriecheffekte des Betons adäquat zu berücksichtigen. Es kann für Verbundstützen mit beliebigen Querschnitten und unter Berücksichtigung von Schnittgrößen nach Theorie II. Ordnung angewandt werden. Die Umsetzung erfolgt i.d.R. computergestützt.

Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern werden im Anwendungsbereich des vereinfachten Nachweisverfahrens von Eurocode 4 Teil 1-1, Abs. 6.7.3 explizit nicht genannt, das zugrundliegende analytische Modell scheint jedoch grundsätzlich für die Berechnung der Tragfähigkeit bei planmäßigem Druck adaptierbar zu sein. Die Bemessung von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen mit Stahlkern basiert gegenwärtig jedoch i.d.R. auf der Grundlage von Zulassungen und Herstellerangaben. Um die sichere Übertragbarkeit des vereinfachten Nachweisverfahrens für diesen Verbundstützentyp überprüfen und gewährleisten zu können, bedurfte es syste­matischer Untersuchungen und insbesondere Ergebnissen realmaßstäblicher Ver­suche.

Für die Brandbemessung betongefüllter Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern existierte ebenfalls kein allgemein anerkanntes und zugelassenes ver­einfachtes Berechnungsverfahren. Dessen Entwicklung war bisher aufgrund fehlender (1) Ergebnisse systematischer Brandversuche und numerischer Simulationen sowie (2) Verifizierungsmöglichkeiten von Modellen zur Beschreibung des Tragverhaltens und Berechnung des Feuerwiderstandes nicht möglich.

Die fehlenden Erkenntnisse zum Brandverhalten von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern und die Unsicherheiten bezüglich der Anwendbarkeit der vorhandenen Nachweisverfahren bei Normaltemperatur führten zu Planungs- und Anwendungsschwierigkeiten für Ingenieure, Experten und Behörden. Der Einsatz dieser Stützen wurde dadurch erschwert und die Weiterentwicklung der gegenwärtig angebotenen Produkte behindert.


Wissenschaftlich technischer und wirtschaftlicher Nutzen

Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern stellen eine wirtschaftliche Lösung im Geschoss- und Hochhausbau dar, insbesondere wenn große Lasten abzutragen, kleine Stützenquerschnitte zu realisieren und hohe Brandschutzanforderungen zu erfüllen sind. Ihre Verwendung erscheint daher auch in Einsatzgebieten möglich, in denen für (hochfeste) Stahlbetonstützen teure zusätzliche Maßnahmen erforderlich wären, um ein Abplatzen im Brandfall zuverlässig zu verhindern und/oder die nutzbare Geschossfläche maximiert werden soll. Betongefüllte Doppel-Hohlprofil-Verbundstützen besitzen ein vergleichbares Potential. Der Hohlraum zwischen den beiden Hohlprofilen wird mit Beton gefüllt. Zur Steigerung der Tragfähigkeit bzw. zur Minimierung der Querschnittsabmessungen kann für das Einstellprofil ein Hohlprofil aus hoch- und höchstfestem Baustahl verwendet und dieses zudem mit Hochleistungsbeton gefüllt werden. Die Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen und die darauf aufbauende Entwicklung vereinfachter Nachweisverfahren für diesen innovativen Verbundstützentyp unter Verwendung von Hochleistungswerkstoffen stellten ein wesentliches Ziel des Forschungsvorhabens dar.

Experimentelle Untersuchungen zum Tragverhalten von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern sind überwiegend proprietär und selten. Für die Entwicklung und den praktischen Einsatz dieser Verbundstützen bedarf es noch systematischer, versuchsgestützter Untersuchungen zum Trag- und Brandverhalten mit realen Querschnittsabmessungen des Geschossbaus. In der Literatur sind nur wenige Versuchsergebnisse zum Trag- und Brandverhalten von innovativen Doppel-Hohlprofil-Verbundstützen vorhanden. Die hohen Tragfähigkeiten beider Verbundstützentypen und die daraus resultierenden Anforderungen an die Kapazität und Abmessungen der Versuchseinrichtung sind hierfür weitestgehend ursächlich. Forschungseinrichtungen mit geeigneter experimenteller Infrastruktur zur Durchführung von Stützenversuchen mit realen – in der Baupraxis für Geschossbauten verwendeten – Querschnitten sind in Deutschland und Europa äußerst rar.

Das durchgeführte Forschungsvorhaben schloss bestehende Wissenslücken für Verbundstützen und trägt damit maßgeblich dazu bei, Planungsschwierigkeiten für Ingenieure, Experten und Behörden zu beheben. Es erarbeitete systematisch wissenschaftlich fundierte und experimentell abgesicherte Daten zum Tragverhalten und Feuerwiderstand von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen. Dabei folgte es einem ganzheitlichen Ansatz für den Geschossbau und betrachtete das Verhalten bei Normaltemperatur und die Brandbemessung gemeinsam.

Zusätzlich wurde eine experimentelle und numerische Datenbasis bereitgestellt, um bestehende Nachweisverfahren weiterzuentwickeln und zu verifizieren. Die Ergebnisse des Projektes ermöglichen KMU ihre angebotenen Querschnitte gezielt weiterzuentwickeln und zu optimieren, neue Produkte in ihr Angebot aufzunehmen und somit einen größeren Marktanteil im Geschossbau zu erlangen. Die Umsetzung der Projektergebnisse trägt durch die Optimierung der Querschnitte zudem zur Sicherheit und Ressourceneffizienz bei und ist daher von volkswirtschaftlichem Nutzen.


Forschungsziel

Ziele dieses Forschungsvorhabens waren der Aufbau einer experimentellen Datenbasis für die beiden o.g. innovativen Verbundstützenquerschnitte und die (Weiter-) Entwicklung bestehender Nachweis­konzepte. Die Ergebnisse sollen KMU ermöglichen, ihre angebotenen Querschnitte gezielt weiterzuentwickeln und zu optimieren, neue Produkte in ihr Angebot aufzunehmen und somit einen größeren Marktanteil im Geschossbau zu erlangen. Die Umsetzung der Projektergebnisse durch die Optimierung der Querschnitte soll zudem zur Sicherheit und Ressourceneffizienz beitragen und ist daher von volkswirtschaftlichem Nutzen.

Die Erarbeitung einer experimentellen Datenbasis für betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern und die (Weiter-)Entwicklung experimentell abgesicherter Tragmodelle für die Bemessung dieser Verbundstützen bei Normal­temperatur und im Brandfall stellten die ersten Hauptziele des Projektes dar.

Für den zukünftigen Einsatz von Doppelhohlprofil-Verbundstützen in der Ingenieurpraxis bedurfte es systematischer Untersuchungen zum Tragverhalten bei Normal­temperatur und im Brandfall unter Verwendung analytischer, experimenteller und numerischer Forschungsmethoden. Die Erarbeitung der wissen­schaftlichen Grund­lagen und die darauf aufbauende Entwicklung vereinfachter Nachweisverfahren für diesen neuartigen Verbundstützentyp unter Verwendung von Hochleistungs-Werk­stoffen stellten weitere Ziele des Forschungsvorhabens dar.


Methodik und Maßnahmen zur Zielsetzung

Die Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen zur Optimierung der Verbundstützen und Entwicklung eines konsistenten Nachweis­konzeptes als wesentliche Ziele des Forschungsvorhabens wurde durch ein in acht Arbeitspakete (Abbildung 3) gegliedertes Programm systematisch erreicht. Die Abbildung 3 stellt die Gliederung des Forschungsvorhabens einschließlich der wesentlichen Teilziele und Inhalte der Arbeitspakete dar.

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Abbildung 3: Gliederung des Forschungsvorhabens


Kurzfassung des Schlussberichts

Im nachfolgendem sind Methodik und Ergebnisse aus dem Schlussbericht des Forschungsprojektes „Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen – Innovation und Bemessung“, (IGF/AiF-Nr.: 19677N) zusammengefasst. Der Bericht wird in Kürze auf der Homepage der Forschungsvereinigung Stahlanwendung FOSTA eV erscheinen.


Experimentelle Untersuchungen

Mit den experimentellen Untersuchungen sollte die Querschnittstragfähigkeit und das grundlegende Stabilitätsverhalten von Doppelhohlprofil-Verbundstützen und Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern untersucht werden. Dafür wurden sog. Stub-Column-Versuche an kurzen Versuchskörpern ohne Biegeknickeinfluss sowie Versuche an schlanken Stützen in ein- und zweigeschossiger Ausführung durchgeführt.

Das Versuchsprogramm des Forschungsvorhabens umfasst insgesamt 24 Stützenversuche, mit unterschiedlichen Querschnittsabmessungen, Bauteilschlankheiten und Bau- und Werkstofffestigkeiten. Ein besonderes Augenmerk lag auf dem Einfluss der Verwendung höherfester Stahlhohlprofile sowie Hochleistungsbetone. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen die Tragfähigkeiten von Verbundstützen in eingeschossiger Ausführung erhöht, in zweigeschossiger Ausführung jedoch keine nennenswerte Steigerungen erzielt werden können.

In Tabelle 1 (Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern) und Tabelle 2 (Doppelhohlprofil-Verbundstützen) sind Abmessungen und nominelle Festigkeiten des Versuchsprogramms zusammengestellt.

Tabelle 1: Querschnittsabmessungen und Werkstoffkenngrößen des Versuchsprogramms - HPVS

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 Tabelle 2: Querschnittsabmessungen und Werkstoffkenngrößen des Versuchsprogramms - DHPVS

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Es wurden Traglastversuche an Versuchskörpern mit drei unterschiedlichen Längen durchgeführt. Das Arbeitspaket 3 des Forschungsprogramms beabsichtigte die Querschnittstragfähigkeiten von betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern sowie Doppelhohlprofil-Verbundstützen bei Normaltemperatur experimentell zu bestimmen (Abbildung 3). Im ersten Schritt wurden daher experimentelle Untersuchungen zur Querschnittstragfähigkeit an sog. Stub-Column Versuchskörpern mit einer Länge von 820 mm bzw. 1070 mm durchgeführt. Durch die Beschränkung der Länge der Versuchskörper auf ca. drei Mal den Durchmesser des äußeren Hohlprofils, wurden globale Stabilitätsphänomene ausgeschlossen. Die Querschnittstragfähigkeit stellt eine wichtige Referenzgröße für die Auswertung der Stützenversuche (AP 4) sowie die Validierung des numerischen Modells (AP 5) dar.

Im zweiten Schritt wurden experimentelle Untersuchungen zum Biegeknicken an Versuchskörpern durchgeführt, deren Länge üblichen ein- (4 m) und zweigeschossigen (8 m) Ausführungen entsprechen. Daraus resultiert ein großer Schlankheitsbereich, welcher auch Versuchskörper mit Schlankheitsgraden geringfügig oberhalb des Anwendungsbereiches des vereinfachten Nachweisverfahrens für Verbundstützen der DIN EN 1994-1-1 (λ ̅2.0) beinhaltet.

Es wurden Versuchskörper unter Verwendung normal- und höherfester Bau- und Werkstoffe getestet. Das Versuchsprogramm trug somit der gegenwärtigen Praxis sowie erwarteten zukünftigen Entwicklung zur Verwendung von warmgefertigten Hohlprofilen mit Streckgrenzen über 355 N/mm² (z. B. Stahlsorten S420NH, S770QT und S890QT) sowie Betonen mit Festigkeiten oberhalb der gegenwärtigen Anwendungsgrenzen der Verbundbaunorm Rechnung. Der aktuellen Praxis folgend, wurden Kerne aus Baustahl S355 und einem Durchmesser von bis zu 200 mm verwendet.

Die Versuchsserie wurde unter der Prämisse festgelegt, in der Vergangenheit bereits durchgeführte Versuche nicht zu wiederholen, sondern den experimentellen Parametersatz zu erweitern. Die geplante Serie ergänzte die Versuchsresultate betongefüllter Hohlprofil-Verbundstützen insbesondere hinsichtlich Kapazitäten und Versuchskörperlängen (zweigeschossige Ausführung). Das Versuchsprogramm gestattete Einflüsse folgender Parameter auf das Tragverhalten zu evaluieren: Querschnittsabmessungen und –ausbildung, Stützenschlankheit, Stahlgüte und Betonfestigkeit. Zur Begrenzung der Versuchsanzahl sollte der Einfluss der Lastexzentrizität nicht experimentell, mit Hilfe von Simulationen hingegen numerisch analysiert werden.

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Abbildung 3: Versuchsaufbau der schlanken 4m und 8m Verbundstützen


Bau- und Werkstoffe – Materialprüfung bei Normal- und erhöhten Temperaturen

Das Arbeitspaket 2 – Materialversuche beabsichtigte auf der Grundlage der Ergebnisse experimenteller Untersuchungen das temperaturabhängige Spannungs-Dehnungsverhalten der in den Stützenversuchen (AP 4) verwendeten Bau- und Werkstoffe zutreffend zu beschreiben. Dazu wurden stationäre Materialversuche an den in Tabelle 1 und 2 dargestellten Hohlprofilen, Stahlkernen und Betonen an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) durchgeführt (Abbildung 4).

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Abbildung 4: Spannungs-Dehnungsverhalten normaler und höherfester Baustähle

Die zutreffende Beschreibung des temperatur- und dehnratenabhängigen Werkstoffverhaltens und die konstitutive Modellierung sind für realitätsnahe numerische Simulationen und die Verifizierung vereinfachter Nachweise essenziell.

Für Hohlprofile und Stahlkerne wurden ergänzend stationäre Zugversuche (Abbildung 5) bei 200 °C, 400 °C, 550 °C, 700 °C und 900 °C mit einer konstanten Dehnrate von 0.2 %/min (gesteuert über die Probenlängung) durchgeführt. Für die Hohlprofile wurden bei 550 °C, 700 °C und 900 °C zusätzliche Versuche mit konstanten Dehnraten von 1.0 %/min durchgeführt. Die dehnratenabhängen Ergebnisse ermöglichen eine realitätsnähere Modellierung des Tragverhaltens des äußeren Hohlprofils (AP 5 und 6) bei Brandbeanspruchung.

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Abbildung 5: Hochtemperaturversuche – Prüfofen mit eingebauter Probe (a), Zugprobe aus Hohlprofilen mit Abmessungen und Ausrundungsradien (b) und (c)

Das temperaturabhängige Spannungs-Dehnungsverhalten des Baustahls S890 G1QL aus der II. Versuchserie der Doppelhohlprofil-Verbundstützen ist exemplarisch in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

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Abbildung 6: Spannungs-Dehnungs-Kurven des hochfesten Stahls S890 für erhöhte Temperaturen mit Dehnratengeschwindigkeiten vD=0.2%/min und 1.0%/min


Querschnittstragfähigkeit

Ziel der Versuche war es, die Querschnittstragfähigkeit von Doppelhohlprofil-Verbundstützen und Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern zu untersuchen. Die Querschnittstragfähigkeit stellt eine wichtige Referenzgröße für die Auswertung der Stützenversuche sowie die Validierung des numerischen Modells dar. Um einen Einfluss globaler Stabilitätsphänomene (Knicken) auszuschließen, entsprach die Länge der Versuchskörper etwa drei Mal dem Durchmesser des äußeren Hohlprofils, der Schlankheitsgrad der Stütze war klein (λ < 0.2).

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Abbildung 7: Stauchungsabhängige Verformungsentwicklung des Stub-Column Prüfkörpers II.07


Stützentragfähigkeit

Mit Hilfe experimenteller Untersuchungen sollten die Kenntnisse zum Tragverhalten von innovativen betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen erweitert und die bisher limitierte Datenbasis hinsichtlich im Geschossbau verwendeter Stützenabmessungen vergrößert werden. Dazu wurde das Tragverhalten von Verbundstützen in ein- und zweigeschossiger Ausführung mit Längen von vier und acht Metern mit baupraktischen Querschnittsabmessungen untersucht. Die durchgeführten Versuche umfassten insgesamt vier verschiedene Querschnitte, fünf verschiedene Stahlsorten und zwei verschiedene Betonfestigkeitsklassen, um insbesondere die Anwendung von Hochleistungswerkstoffen für praktische Anwendungen zu bewerten. Insgesamt wurden zwölf Doppelhohlprofil-Verbundstützen und vier Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern getestet.

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Abbildung 7: Versuchsdurchführung und Last-Verformungs-Verhalten der Versuchsstütze II.17

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Abbildung 8: Last-Verformungsverläufe der 4m & 8m Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern mit kleinen Querschnittsabmessungen


Numerische Untersuchungen

Ziele der numerischen Untersuchungen waren (1) vertiefte Kenntnisse zum Trag- und Brandverhalten von Verbundstützen zu erarbeiten und (2) das durch experimentelle Untersuchungen abgedeckte Parameterfeld zu erweitern. Aufgrund zahlreicher Einflussfaktoren und vor allem in Kapazität und Größe limitierten Versuchs­einrichtungen kann mit Hilfe von Versuchen das Trag- und Brandverhalten nicht vollumfänglich analysiert werden. Umfangreiche numerische Untersuchungen sind ergänzend erforderlich, um die einzelnen Einflüsse zu untersuchen und Parameter, die von den experimentellen Untersuchungen nicht abgedeckt werden, z.B. unterschiedliche Festigkeiten, Schlankheiten sowie Lastexzentrizitäten, zu analysieren. Die numerischen Simulationen sollen zu einem vertieften Verständnis des Tragverhaltens der Verbundstützen beitragen und ermöglichten Aussagen zu Kraft- und Verformungsgrößen, welche nicht mess- und beobachtbar waren. Insbesondere wird für die Brandbeanspruchung die Lastverteilung zwischen den Komponenten nach Überschreiten der Elastizitätsgrenze sowie im Nachtrag­lastbereich analysiert.

Das entwickelte numerische Modell wurde durch Fremd- und Eigenversuche validiert. Die Validierung des numerischen Modells bei Normaltemperaturen erfolgt auf Basis der Versuchsergebnisse der schlanken, stabilitätsgefährdeten Stützen (4000 mm und 8000 mm). Für die Validierung wurden die tatsächlichen, gemessenen Lastexzentrizitäten und geometrischen Vorverformungen in das numerische Modell implementiert.

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 Abbildung 9: Validierung der FE-Modelle bei Normaltemperaturen

Das FE-Modell wurde grundsätzlich durch Fremd- und Eigenversuche validiert. Die Übereinstimmung der Simulationsergebnisse für Hohlprofil-Verbundstützen mit Stahlkern mit Fremdversuchen ist hinsichtlich der Traglasten und Verformungen besser als die entsprechenden Übereinstimmungen mit den Ergebnissen der im Rahmen des Forschungsvorhabens durchgeführten eigenen Versuche. Zur Identifikation der Abweichungen wurde eine Sensibilitätsstudie durchgeführt, siehe unten. 


Validierung des numerischen Modells bei Brandbeanspruchung durch Fremdversuche

Die Validierung des Finite-Elemente Modells im Brandfall erfolgte mittels Fremdversuche von Neuenschwander, Knobloch und Fontana für die Hohlprofil-Verbundstützen mit massiven Stahlkern sowie von Romero et al. für Doppelhohlprofil-Verbundstützen. Alle zur Verfügung stehenden Informationen und Randbedingungen wurden für die Validierung herangezogen. Die Abb. 10 (oben) vergleicht exemplarisch das Durchbiegungs-Zeit-Verhalten einer Verbundstütze mit massiven Stahlkern. Die gute Übereinstimmung der Berechnungen mit den Versuchen resultiert insbesondere aus der Kenntnisse der Versuchseinrichtung und der Berücksichtigung des temperatur- und zeitabhängigen Steifigkeitsverhältnisses zwischen Versuchskörper- und Versuchseinrichtung. Die beiden Zeit-Stauchungs-Diagramme von Doppelhohlprofil-Verbundstützen in Abb. 10 (unten) belegen, dass eine mangelnde Berücksichtigung dieses Einflusses zu Abweichungen der Simulations- gegenüber den Versuchsergebnissen führen kann (rechts) obgleich der Feuerwiderstand bisweilen auch ohne diese Information zutreffend prognostiziert werden kann (links), insbesondere wenn der Feuerwiderstand durch die temperaturabhängige Festigkeit der Werkstoffe und den Querschnittswiderstand limitiert wird.

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 Abbildung 10: Thermo-mechanische Nachrechnung der Brandversuche


Sensitivitätsstudien zu geometrischen und strukturellen Imperfektionen

Es wurde eine Sensitivitätsstudie unter Berücksichtigung zusätzlicher Imperfektionen der innen-liegenden Bauteilkomponenten als auch von generischen Eigenspannungszuständen durchgeführt. Diese Studie wurde in zwei Bestandteile unterteilt: Untersuchung des Einflusses von (1) unterschiedlichen Größen von strukturellen und geometrischen Imperfektionen bei jeweils getrennter Berücksichtigung und von (2) kombinierten Einflüssen struktureller und geometrischer Imperfektionen und besonderer Berücksichtigung zusätzlicher geometrischer Imperfektionen aller Bauteilkomponenten im Querschnitt auf die Grenztragfähigkeit.

Die Untersuchungsmatrix umfasste insgesamt 23 generische Parametersätze je Querschnitt, um den Einfluss der geometrischen Imperfektionen an beiden Verbundquerschnitten zu bewerten. Die Abbildung 11 stellt exemplarisch fünf dieser Sätze dar.

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Abbildung 11: Auswahl an Simulationsmodellen zur Untersuchung des Einflusses von Imperfektionen

In Abbildung 12 wurden die Ergebnisse der numerischen Simulationen mit unterschiedlichen Imperfektionen beider Verbundquerschnitte gegenübergestellt. Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern werden signifikant durch geometrische Imperfektionen (Vorkrümmungen sowie Ausmitten und Schiefstellungen des Stahlkerns) beeinflusst, da der Stahlkern entscheidend zum Tragwiderstand dieses Querschnittstyps beiträgt. Derartige Imperfektionen wirken sich hingegen nur geringfügig auf den Tragwiderstand von Doppelhohlprofil-Verbundstützen aus.

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Abbildung 12: Vergleich der Traglastabweichung infolge geometrischer Imperfektionen beider Verbundquerschnitte


Vereinfachte Nachweisverfahren für innovative betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen

Auf der Grundlage der Versuchs- und Simulationsergebnisse für Normaltemperaturen wurden die vereinfachten Nachweisverfahren des Eurocodes 4 hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern und Doppelhohlprofil-Verbundstützen insbesondere auch unter Verwendung von Hochleistungswerkstoffen bewertet respektive weiterentwickelt.

Vereinfachte Nachweisverfahren auf der Grundlage Europäischer Knicklinien und/oder auf der Grundlage der Elastizitätstheorie II. Ordnung sind für die Ingenieurpraxis trotz zunehmender computergestützter Bemessung wichtig. Diese Verfahren müssen insbesondere für Verbundstützen unter Verwendung höherfester Werkstoffe den unterschiedlichen Querschnittswiderständen und Traglasten bei Ausnutzung der maximalen Betonstauchung bzw. vollplastischen Spannungs-verteilungen Rechnung tragen. Die verhältnismäßig kleinen Grenzdehnungen hochfester Betone limitieren bei Verbundstützen mit massiven Stahlkernen bzw. hochfesten inneren Profilen von Doppelhohlprofil-Verbundstützen den Querschnittswiderstand insbesondere unter exzentrischer Normalkraft.

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Abbildung 13: Vollplastische und dehnungsbeschränkte Querschnittstragfähigkeit

Die Tragfähigkeit von Hohlprofil-Verbundquerschnitten mit höherfesten Materialien kann aufgrund der beschränkten Grenzdehnung des Betons nicht in jedem Fall und uneingeschränkt durch die klassische vollplastische Querschnittstragfähigkeit beschrieben werden (Abbildung 13 (I): Vollplastische Interaktionskurve). Das bedeutet, dass sobald die Grenzdehnung des Betons erreicht wird, im kritischen Bereich der Verbundstütze die Problematik des Festigkeitsverlustes sowie der Rissbildung im Zugbereich entsteht. Daher ist es wichtig, die Auswirkungen der Grenzdehnung des Betons bei der Ermittlung der Querschnittstragfähigkeit, insbesondere infolge der dehnungsbeschränkten Momententragfähigkeit, adäquat einzubeziehen (Abbildung 13 (II): Dehnungsbeschränkte Interaktionskurve). Gleichzeitig sind die positiven Effekte aus der Umschnürungswirkung des Betons infolge der Stahlhohlprofile und dem mehraxialen Spannungszustand in den Bemessungsverfahren Rechnung zu tragen. Gemäß Eurocode 4 wird die Überschätzung der Querschnittstragfähigkeit, bei der Bemessung nach dem Näherungsverfahren, mit der Abminderung der vollplastischen Momententragfähigkeit ausgeglichen. Hierfür werden entsprechende Abminderungsbeiwerten offeriert, mit denen die dehnungsbeschränkte Momententragfähigkeit für eine vorhandene Normalkraftbeanspruchung ermittelt werden kann. Bei normativ geregelten Querschnitten darf im Eurocode 4 für die Abminderung der vollplastischen Momententragfähigkeit im Falle der Baustahlsorten S235 und S355 vereinfacht der pauschale Abminderungsbeiwert αM = 0,9 (Abbildung 13(III): Vollplastisch abgeminderte Interaktionskurve) und im Falle der Baustahlsorten S420 und S460 der Beiwert αM = 0,8 angesetzt werden. Zudem setzt die Verwendung dieser Beiwerte voraus, dass der Verbundquerschnitt aus Querschnittskomponenten der Stahlsorten S235 bis S460 und den Betonfestigkeitsklassen von C20/25 bis C50/60 besteht.

Für die im Rahmen des Forschungsvorhabens betrachteten Verbundstützen wurden vollplastische und dehnungsbeschränkte Querschnittsinteraktionskurven ermittelt und daraus die Abminderungsbeiwerte αM für die vereinfachte Nachweisführung abgeleitet (Abbildung 14).

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Abbildung 14: Vollplastische und dehnungsbeschränkte Querschnittstragfähigkeit sowie der dazugehörige normalkraftabhängige Abminderungsbeiwert αM(N) für DHPVS

Der nachfolgende Vergleich der Momententragfähigkeiten berücksichtigt in Abbildung 15a erneut eine direkte Anwendung der Regeln des Eurocodes 4 mit Abminderungsbeiwerten von αM,EC4=0.9 bis zur Stahlgüte S355 und αM,EC4=0.8 für alle höheren Stahlgüten. Die direkte Anwendung der konstanten Abminderungsbeiwerte nach Eurocode 4 führte bei den Doppelhohlprofil-Verbundstützen für alle Festigkeiten zu nicht konservativen Bemessungsergebnissen (Abbildung 15a). Der Mittelwert des Verhältnisses der Momententragfähigkeiten betrug 1.449, bei einer Standardabweichung von 6.3%.

Die Gegenüberstellung der Ergebnisse mit den hergeleiteten Abminderungsfaktoren zeigt eine zufriedenstellende Übereinstimmung mit den dehnungsbeschränkten Momententragfähigkeiten (Abbildung 15b). Der Mittelwert des Verhältnisses der mit den beiden Methoden bestimmten Momententragfähigkeiten betrug 97.7 %. Allerdings liegt eine vergleichsweise große Streuung mit einer Standardabweichung von 11.1% vor. Dies lässt sich insbesondere auf die berücksichtigten höheren Werkstofffestigkeiten und die damit einhergehenden geringen angesetzten Grenzstauchungen zurückführen.

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Abbildung 15: Vollplastische und dehnungsbeschränkte Querschnittstragfähigkeit sowie der dazugehörige normalkraftabhängige Abminderungsbeiwert αM(N) für DHPVS


Einordnung der Verbundstützen zu den europäischen Knicklinien

Der vereinfachte Stabilitätsnachweis von Verbundstützen bei planmäßig zentrischem Druck kann mithilfe der europäischen Knicklinien geführt werden. DIN EN 1994-1-1 enthält hierfür eine Tabelle, welche typische Verbundstützenquerschnitte, den Knicklinien zuordnet. Die Einstufung der beiden neuartigen Verbundquerschnitte zu Knicklinien ist Gegenstand des vorliegenden Abschnitts. Dazu wurden numerische Traglastberechnungen durchgeführt und diese den bezogenen Tragfähigkeiten, die sich aus der vollplastischen Normalkrafttragfähigkeit des Verbundquerschnitts und dem Abminderungsfaktor χ in Abhängigkeit des jeweiligen Imperfektionsbeiwertes der Knicklinien ergeben, gegenübergestellt. Die bezogenen Schlankheitsgrade wurden dabei unter Berücksichtigung der effektiven Biegesteifigkeit zur Berücksichtigung der Steifigkeitsminderung infolge der Rissbildung des Betons bestimmt. Zudem wurden die experimentell ermittelten Traglasten zur Bewertung der Knicklinienzuordnung herangezogen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in den Stützenversuche die Last mit kleinen Exzentrizitäten eingeleitet wurden. Die Versuchsergebnisse repräsentierten somit nicht exakt den Fall experimenteller Traglasten einer zentrischen Druckbeanspruchung.

Die experimentellen Traglasten (Querschnittstragfähigkeit sowie Stützentragfähigkeit) wurden zunächst für die Bewertung einer möglichen Zuordnung der beiden neuartigen Verbundquerschnitte zu den Knicklinien in Abbildung 16 zusammengestellt.

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Abbildung 16: Bewertung der experimentell ermittelten Traglasten beider Verbundquerschnitte für die Zuordnung zu den europäischen Knicklinien


Zusammenfassung

Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern und Doppelhohlprofil-Verbundstützen stellen innovative und wettbewerbsfähige Lösungen für moderne Geschossbauten mit anspruchsvollen Anforderungen hinsichtlich Tragfähigkeiten und Brandschutz dar. Sie weisen im Vergleich zu Stahlbetonstützen sowie anderen Verbundstützentypen bei gleichem Tragwiderstand geringere Querschnittsabmessungen auf, welche durch die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen noch zusätzlich verkleinert werden können.

Das IGF-Forschungsvorhaben Nr. 19677 ‚Betongefüllte Hohlprofil-Verbundstützen für Geschossbauten – Innovation und Bemessung‘ erarbeitete systematisch wissenschaftlich fundierte und experimentell abgesicherte Daten zum Tragverhalten und Feuerwiderstand der o.g. betongefüllten Hohlprofil-Verbundstützen. Dabei folgte es einem ganzheitlichen Ansatz für den Geschossbau und betrachtete Normaltemperatur und Brandbemessung gemeinsam. Die Ergebnisse des Vorhabens ermöglichen KMU ihre angebotenen Querschnitte gezielt weiterzuentwickeln und tragen dazu bei, Planungsschwierigkeiten für Ingenieure, Experten und Behörden zu beheben. Sie stellen die Grundlage für die zukünftige normative Regelung dieser Verbundstützentypen unter Einsatz hoch- und höchstfester Bau- und Werkstoffe dar.

Es wurden umfangreiche experimentelle Untersuchungen an Verbundstützen in ein- und zweigeschossiger Ausführung mit baupraktischen Querschnittsabmessungen sowie begleitende Versuche zum Querschnittswiderstand und zum mechanischen Werkstoffverhalten bei Normaltemperatur und im Brandfall durchgeführt. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen den Tragwiderstand eingeschossiger Verbundstützen vergrößern. In zweigeschossiger Ausführung überwiegt der Steifigkeitseinfluss und die Verwendung hoch- und höchstfester Bau- und Werkstoff ist nur bedingt nützlich. Toleranzen sowie Produktions- und Herstellungsgenauigkeiten können bei derartigen aus Stahlhohlprofilen, Stahlkernen und Beton bestehenden Multikomponentenquerschnitten einen größeren Einfluss haben als bis anhin allgemein angenommen und in üblichen Simulations- und Bemessungsmodellen berücksichtigt wurden.

Die Versuchsergebnisse des Forschungsvorhabens und ergänzende Fremdversuche dienten auch der Validierung entwickelter numerischer Simulationsmodelle. Mit Hilfe der Modelle konnten zusätzliche Phänomene des Tragverhaltens analysiert werden, welche in Versuchen nicht steuer-, beobacht- und messbar sind. Die entsprechenden theoretischen Untersuchungen belegen, dass sich diese Verbund-stützentypen insbesondere eignen, wenn hohe Brandschutzanforderungen zu erfüllen sind. Die Lasten werden während der Brandeinwirkung sukzessive von den äußeren auf die inneren Querschnittskomponenten, insbesondere Stahlkern und inneres Hohlprofil, übertragen. Die Betonschicht verzögert die Erwärmung des Stahlkerns respektive inneren Hohlprofils merklich, so dass hohe Feuerwiderstände ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen erzielt werden. Hinsichtlich des Feuerwiderstandes empfiehlt sich daher die Verwendung von Hochleistungswerkstoffen gerade für diese inneren Komponenten. Das äußere Hohlprofil verhindert zuverlässig das Abplatzen des Betons im Brandfall und dient als Schalung bei der Betonage und unterstützt somit den schnellen Bau- und Herstellungsprozess.

Unter Verwendung der experimentell validierten Simulationsmodelle wurde eine umfangreiche Parameterstudie zum Tragverhalten betongefüllter Hohlprofil-Verbundstützen mit massivem Stahlkern und Doppelhohlprofil-Verbundstützen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden für die Bewertung und Weiterentwicklung vereinfachter Nachweisverfahren verwendet. Damit stehen der Ingenieurpraxis Abminderungsfaktoren und geometrische Ersatzimperfektionen für die Bemessung der innovativen Verbundstützen mit normalfesten Materialien und Hochleistungswerkstoffen zur Verfügung.   


Literaturverzeichnis

[1] M. Neuenschwander und M. F. M. Knobloch, „ISO-Standard Fire Tests of Concrete-Filled Steel Tube Columns with Solid Steel Core Subjected to Fire,“ Journal of Structural Engineering, 2016.